Worte, die bleiben – Aus meinem Leben: Begleittext zur Folge 3
Intro
Jede Folge ist ein Schritt zu dir selbst. Willkommen bei Innen.ART – dem Podcast für deine innere Landschaft, wo die Inspiration leise erwacht, Kreativität Transformation entfacht und Heilung einen Raum findet – mit mir Beate Eierle.
Einleitung
Folge 3: Sichere Bindung -Sicheres Leben
Wie stabile Verbindungen uns stärken, heilen und durch den Fluss des Lebens tragen.
Was gibt uns Halt im Leben? Es sind die Verbindungen, die wir knüpfen – zu anderen, zu uns selbst und vielleicht auch zu etwas Größerem. Bindung ist der unsichtbare Faden, der uns trägt, Vertrauen schenkt und uns hilft, im Fluss des Lebens anzukommen.
In dieser Folge tauche ich ein in die Welt der Bindung: von der Geburt über prägende Beziehungsmuster bis hin zur Heilung alter Verletzungen. Erfahre, wie Bindung mein Leben sicherer und erfüllter gemacht hat.
Bevor ich heute tiefer in das Thema Bindung eintauche, möchte ich dir eine kleine Geschichte erzählen, die ich für den Anfang eines Buchprojekts geschrieben habe, an dem ich immer mal wieder arbeite. Es handelt von einem Menschen und seinen inneren Bewohnern – so könnte ich es beschreiben. Einer dieser inneren Bewohner ist Seliis, die kleine Seele. Mehr möchte ich im Moment nicht verraten.
Also, los geht’s.
Geschichte
Neun Monate Entwicklung – vom Schöpfungsimpuls bis heute – und endlich ist dieser besondere Moment da. Hand in Hand stürzen Seliis und ihr Menschenkind in den Fluss des Lebens. Das ist, bildlich gesprochen, der Kreislauf der Schöpfung: von der ersten Sekunde des Lebens bis zum letzten Atemzug, wenn Mister Tod an die Haustür des Lebens klopft.
Menschenkinder mit einem stabilen Urvertrauen sind imstande, sich vom Fluss des Lebens tragen zu lassen. Bei eher vorsichtigen Kindern mit mangelndem Selbstvertrauen kannst du jedoch beobachten, dass sie sich entweder gegen den Fluss stellen oder nur so weit ins Wasser gehen, wie sie alles unter Kontrolle haben. Aus Angst, mitgerissen zu werden und dann nicht zu wissen, wohin es sie treibt. Ihre große Lebensaufgabe besteht darin zu erkennen, dass der Fluss sie trägt. Je weniger sie sich dem Leben entgegenstellen, desto weniger anstrengend ist es.
Seliis und ihr Mensch hatten eine stürmische Abfahrt auf dem Fluss des Lebens. Selten ging es ruhig und entspannt zu. Hin und her geworfen, glich ihre Reise einer Wildwasserfahrt, und manche Grenzerfahrungen schienen lebensbedrohlich.
In diesem ganzen Treiben kullerte und purzelte das Menschenkind, drehte sich – total erschrocken – in letzter Sekunde noch einmal um. Ehe Seliis sich versah, gerieten sie in den gigantischen Sog der Tür des Lebens. Jetzt gab es für sie beide kein Zurück mehr.
Mit beiden Beinchen stemmte das Menschenkind die Tür auf und landete mit den Füßen zuerst und einem lauten Schrei auf der Erde. Uhi, war das plötzlich hell hier! Es war ein heißer Sommermorgen im Sternzeichen des Löwen, der wie die Sonne selbst erstrahlte im Augenblick der Geburt. Zur gleichen Zeit ging am östlichen Horizont die Tierkreistür der zierlichen kleinen Jungfrau auf, die mit leiser, zarter Stimme wisperte: „Willkommen auf der Erde, geliebtes Menschenkind.“
Für die göttliche Seele Seliis begann augenblicklich das große Abenteuer MenschSEIN. Hautnah durfte sie es erleben und ging ab jetzt, untrennbar verbunden mit ihrem Menschen, auf irdische Entdeckungsreisen.
Bindung
Der wichtigste Satz in dieser Geschichte befindet sich am Ende: Die kleine Seele Seliis ist untrennbar mit ihrem Menschen bis zum Tod verbunden. Sich das bewusst zu machen, kann von großer Bedeutung sein, denn Bindung ist essenziell und beeinflusst viele Aspekte unseres Lebens – von der Kindheit über Beziehungen bis hin zu unserer inneren Selbstbindung.
Bindung bildet die Grundlage für Vertrauen, emotionale Stabilität und soziale Beziehungen. Sie hat großen Einfluss auf unsere persönliche und psychische Gesundheit.
Die kleine poetische Geschichte verdeutlicht, wie wichtig es ist, von Anfang an eine sichere Verbindung zu erleben. In meinem Verständnis beginnt diese Verbindung bereits bei den Umständen der Zeugung und setzt sich in der Zeit bis zur Geburt fort und dann natürlich weiter im Leben.
Wie lässt sich meine poetische Perspektive mit wissenschaftlichen und psychologischen Erkenntnissen über Bindung verbinden?
Urvertrauen: Die Metapher vom „Fluss des Lebens“ symbolisiert das Urvertrauen, das durch stabile Bindung, Nähe und Verlässlichkeit unserer ersten Bezugsperson entsteht.
Bindungssicherheit: Menschen, die darauf vertrauen, dass der Fluss des Lebens sie trägt, lassen sich treiben – das entspricht einer sicheren Bindung. Vorsichtige Menschen, die Kontrolle suchen, spiegeln eher unsichere oder vermeidende Bindungsstile wider.
Lebensübergänge: Die Geburt als „Türe des Lebens“ symbolisiert den ersten großen Übergang, bei dem die Bindung zur Mutter essenziell wird.
Bindungstheorie
Die Bindungstheorie, die von John Bowlby, einem britischen Kinderarzt, Kinderpsychiater und Psychoanalytiker, entwickelt wurde, beschreibt, wie Kinder emotionale Bindungen zu ihren Bezugspersonen aufbauen. Dies sind meist die Eltern, können jedoch auch andere Bezugspersonen wie Pflegeeltern, Großeltern, Tante, Onkel, Geschwister oder Erzieher:innen in einem Heim oder Internat sein.
Bowlby beschreibt Bindung als ein unsichtbares, gefühlvolles Band zwischen dem Kind und seinen Bezugspersonen, das ihm im besten Fall ein tiefes Gefühl von Sicherheit und Schutz vermittelt. Die Qualität der Bindung hat enorme Auswirkungen auf die gesamte kindliche Entwicklung sowie auf das weitere Leben.
Bindung scheint also ein biologisches Grundbedürfnis des Menschen zu sein.
Persönliche Erfahrungen
Ich kam zum ersten Mal 2008 in meiner Reha mit der Bindungstheorie in Kontakt, die ich aufgrund meiner chronischen Schmerzstörung machte. Damals hielt mich eine atypische Trigeminusneuralgie in ihren Klauen, und mein Leben bestand seit 2001 aus einem bohrenden Dauerschmerz, der mich 2005 fast in den Suizid trieb, weil er unerträglich war.
Ich schrie in so vielen Nächten in mein Kopfkissen und bettelte zu Gott, dass er endlich damit aufhören sollte. Was für ein verzweifelter Versuch – als ob Gott mich absichtlich leiden sehen wollte. Aber was machte ich nicht alles in der Hoffnung, dass der Schmerz irgendwann aufhören würde.
In meiner ersten Reha am Königssee 2006 hatte ich das Glück, dass mein österreichischer Stationsarzt nach Jahren der Schmerzen und zahlreicher Therapien mit Neuraltherapie endlich einen Durchbruch schaffte. In Form eines imaginären „Kranzes“ um den Kopf – auch Dornenkranz genannt – spritzte er knapp 30 Triggerpunkte mit einem lokalen Betäubungsmittel ab. Ich schrie wie am Spieß und klammerte mich mit aller Kraft an die Stuhllehne, um nicht vor Schmerzen aufzuspringen.
Die Behandlung dauerte ewig, obwohl sie normalerweise in 10 bis 15 Minuten durchgeführt ist. Ich war über die Jahre so schmerzempfindlich geworden, dass selbst mein Arzt erstaunt war. Gott sei Dank war ich nach dieser ersten Behandlung für ganze 10 Stunden schmerzfrei. Mein Kopf fühlte sich an wie eine riesige Wattekugel. Ich weinte vor Erleichterung still in mein Essen, das mir in die Cafeteria gebracht wurde. Die regulären Essenszeiten im großen Speisesaal waren längst vorbei.
Die Neuraltherapie wurde während der Reha abgerechnet, doch ambulant wurde sie aufgrund von Gesetzesänderungen von der AOK nicht mehr bezahlt. Da ich nach der Schließung meiner Modefirma für Übergrößen 2006 kein eigenes Einkommen mehr hatte, konnte ich mir die Behandlung zwei- bis dreimal in der Woche auf Dauer nicht leisten. Die Rückfälle kamen, und ich ging 2008 und 2011 wieder in die Reha, um mich zu stabilisieren. Anfragen über Kostenübernahme wurden immer wieder abgelehnt. Mein Rehaarzt verstand das nicht und schlug mir in der letzten Reha Hilfe zur Selbsthilfe vor.
„Wie soll das aussehen?“, fragte ich ihn.
„Als Heilpraktikerin kommen Sie an ein lokales Betäubungsmittel, und dann spritzen Sie sich eben selbst.“
Ich schaute ihn sprachlos an und dachte: Hat der nicht alle Tassen im Schrank? Doch er meinte es wirklich ernst.
„Was wollen Sie machen, wenn die Kosten nicht übernommen werden, der Schmerz Sie übermannt und man Sie so im Stich lässt?“ Da war guter Rat teuer.
„Ich weiß es nicht“, kam es leise aus meinem Mund. Ich schaute ihn ratlos an. „Also los, ab vor den Spiegel, Sie schaffen das.“
Er zog eine Spritze mit einer superkurzen Nadel auf, damit ich nicht aus Versehen zu tief stach, und zeigte mir genau den Triggerpunkt, wo ich einstechen sollte. Zunächst einfach mal kurz unter die Haut, um ein bisschen von dem Betäubungsmittel schon mal zu platzieren, und dann noch ein bisschen tiefer, um den Nerv weiter zu betäuben.
Da stand ich nun, mit meiner Brille auf der Nase, Tränen in den Augen vor Überforderung und Angst, dass ich mir ins Auge steche, weil auf der Augenbraue der Schmerz immer am heftigsten war.
Warum ich?, schrie es in mir. Warum immer solche Herausforderungen?
Ein Gedankengewitter zog in Sekundenschnelle durch meinen Kopf, und ich wog innerhalb von Sekunden meine Chancen ab. Traute ich mich nicht, gab es keine Selbsthilfe für mich. Traute ich mich und hatte Glück, den richtigen Punkt zu erwischen, wurde der Schmerz weniger.
Also gut, ich probiere es.
Ich erspare dir den Rest dieses Geschehens. Es ist und bleibt eine meiner fürchterlichsten Herausforderungen, mir selbst in den Kopf zu spritzen, und ich tat es nur im absoluten Notfall mit zig Anläufen zu Hause. Was für ein Albtraum.
Etwas in mir erinnerte sich an das Gefühl des Alleingelassenseins in meiner Kindheit. Um aus diesem Albtraum zu fliehen, reichte ich nach der letzten Reha 2011 eine Klage gegen die wiederholten Ablehnungen der Krankenkasse ein – und verlor.
Das Gefühl, ohne Anbindung an verlässliche Hilfe zu sein, war grauenhaft.
Spurensuche
Während meiner Reha war ich weiterhin auf Spurensuche für diesen wütenden Schmerz.
Es war nach einer Gruppensitzung, als ich mich kurz mit einer Psychologin über meinen Schmerz und die evtl. in Frage kommenden Ursachen unterhielt. Ich hatte mich über die Symbolik des Dornenkranzes informiert. Mein Schmerzfeld wies auf Zusammenhänge zwischen Schmerzpunkten und vegetativen Reflexzonen hin – Spannungen im Kopfbereich und, wie wir in der Reha feststellten, auf Stress und bestimmte Themen, wenn sie angesprochen wurden.
Die energetische und psychosomatische Perspektive des Dornenkranzes führte schnell zu emotionalen und spirituellen Themen. In der Symbolik steht der Dornenkranz oft für Leid und Bürde, was auf psychische Belastungen hinweist, die sich körperlich manifestieren können. Die psychosomatische Deutung war, dass es sich um Belastungen handelt, die mit Verantwortung, Schuldgefühlen oder innerem Druck verbunden sind und sich über das vegetative Nervensystem widerspiegeln.
Dieser innere Druck war mir nur allzu vertraut, besonders im Zusammenhang mit den Beziehungen meiner frühen Kindheit. Genau da hakte die Psychologin ein und brachte das Thema Bindung und Bindungsstörung ins Gespräch. Schon der Begriff „Bindungsstörung“ versetzte mich in eine Abwehrhaltung. Ich bin doch nicht bindungsgestört! Ich hatte Freunde, einen Partner, Hunde – wie konnte ich bindungsgestört sein?
Die Psychologin bemerkte meinen Widerstand und lud mich ein, mich mit der Bindungstheorie nach Bowlby zu beschäftigen. Ich tat es, denn ich suchte Antworten darauf, warum dieser Schmerz so wütete. Das Erste, was ich erkannte: Selbst wenn ich tatsächlich eine Bindungsstörung haben sollte, trug ich keine Schuld daran. Als Kleinkind war ich vollständig abhängig von der Fürsorge meiner Eltern und passte mich den Störungen meiner Bezugspersonen an, um so viel Beziehung wie möglich zu erhalten und zu überleben.
Die Einordnung in die verschiedenen Bindungstypen – von sicherer Bindung (Typ B) bis hin zu unsicher-desorganisierter Bindung (Typ D) – war für mich in diesem Moment nicht das Wichtigste. Es waren Kategorien, gesellschaftliche Schubladen, die Inhalte einordneten, doch entscheidender war für mich die Erkenntnis, dass meine Verhaltensweisen in zwei Gruppen passten. Von diesem Punkt an begann ich, mich selbst und meinen Schmerz sehr aufmerksam zu beobachten.
Später, in meiner Traumatherapie, kam das Thema Bindung und Schmerz erneut zur Sprache. Behutsam lernte ich zu akzeptieren, dass ich als Kind tatsächlich eine Bindungsstörung entwickelt hatte – etwas, das aufgrund meiner biografischen Erlebnisse niemanden aus der Fachwelt überraschte. Meine frühe Kindheit war geprägt von ständigen Wechseln zwischen Bezugspersonen: Ich war nur kurz bei meiner Mutter und landete dann bei Oma, Opa, Tante und Onkel. Es gab keine stabile Verlässlichkeit. Mit zwei Jahren wurde ich zu Pflegemüttern gegeben, die mich entweder schlugen oder an ein Tischbein banden, um meine Bewegungsfreiheit einzuschränken.
Als ich diese erschütternden Wahrheiten viele Jahre später während meiner Spurensuche nach den Ursachen meiner Schmerzen erfuhr, war ich fassungslos. Mein Verstand konnte es nicht begreifen. Diese Erfahrungen zeigten mir, was passieren kann, wenn ein Kind schlimme Ereignisse in seiner frühkindlichen Biografie nicht verarbeiten kann. Die ungelösten inneren Konflikte drängten durch den Schmerz an die Oberfläche und verlangten danach, gesehen, gefühlt und verarbeitet zu werden.
Ich erinnere mich noch gut an den Satz meines Trauma Therapeuten in einer der ersten Sitzungen: „Zuviel Eindruck, mit zu wenig Ausdruck.“ Schritt für Schritt lernte ich als erwachsene Frau, diesen tiefen Verletzungen mit voller Kraft Ausdruck zu verleihen. Dabei nutzte ich wohlbewusste Übungen: Ich schlug gezielt in vollem Bewusstsein mit einem Stock auf eine Matratze. Unkontrollierte Wut die einfach nur zerstörerisch ist, war nicht die Aufgabe. Einen Ton dazu erklingen zu lassen, fiel mir unendlich schwer. Es dauerte lange, bis ich schließlich einen Schrei herausließ – leise zu Beginn, dann immer lauter. Es war ein Schrei, den ich als Kleinkind vermutlich unterdrückt hatte.
Als Kind war ich ein liebes, stilles Mädchen, wie mir mein Onkel und meine Tante erzählten. Vermutlich wartete ich nur darauf, endlich etwas liebevolle Aufmerksamkeit zu bekommen. Alles, was ich als Kind ertragen und abgespalten hatte, um zu überleben, kam jetzt zum Vorschein. Und plötzlich begann der Schmerz meiner Trigeminusneuralgie sich zurückzuziehen.
Jahr für Jahr verlor er mehr von seiner wütenden Kraft. Ich konnte hautnah miterleben, wie ich innerlich heiler und schmerzfreier wurde, je mehr ich meine frühkindliche Vergangenheit verarbeitete und die lange verdrängten und sorgsam gehüteten Gefühle aussprach.
Heute zeigt sich der Trigeminus-Schmerz nur noch, wenn ich mich überfordere, meine Kräfte nicht achtsam einteile oder mir zu wenig Entspannung gönne. Er ist wie ein Stress-Thermometer, das mich warnt. Wenn er sich meldet, lasse ich alles stehen und liegen. Denn dieser Nervus Trigeminus – mein fünfter Hirnnerv – verhält sich wie eine Krake, die ihre Tentakel bewegt und sich mit Druck und Schmerz bemerkbar macht.
Fast zwei Jahrzehnte lang habe ich mich durch die Schmerz Schattenwelten meines Lebens bewegt, auf der Suche nach Heilung. Es hat viel Zeit und Kraft gekostet, die Hintergründe dieses Vernichtungsschmerzes zu verstehen, zu bearbeiten und fast vollständig zu erlösen. Der Preis war hoch, aber ich habe es geschafft, diesen Schmerz zu besiegen, indem ich alle frühen und späteren Bindungserfahrungen betrachtet habe.
In meiner Kindheit konnte ich keine starken Wurzeln bilden, die von Nähe, Sicherheit und Zuverlässigkeit genährt wurden. Das war nicht meine Schuld. Es fehlte an einer sicheren Bindung, die von Vertrauen und emotionaler Verfügbarkeit geprägt war. Stattdessen erlebte ich Trauma, Verlust, Vernachlässigung, Unsicherheit und Missbrauch, was mein Nervensystem und mein Verhalten nachhaltig beeinflusste.
Meine wirklich verlässlichsten Beziehungen in den ersten 30 Jahren meines Lebens waren lange Zeit eine Handvoll Freunde und meine Tiere. In meiner Kindheit waren es vor allem meine Hamster, mein Hase und mein Wellensittich. Später kamen meine Katzen und vor allem meine drei Hunde dazu.
Meine Katzen hatten diese ruhige Präsenz, fast ein bisschen erhaben, und waren vor allem verschmust. Sie kamen, wann sie wollten, und ich kuschelte gerne mit ihnen. Ihre einfühlsamen Berührungen und ihr Anschmiegen taten mir gut. Ihr Schnurren hatte etwas unglaublich Beruhigendes.
Die bedingungslose Akzeptanz und Liebe, die mir meine drei Hunde schenkten, bildeten für mich eine sichere Basis für meine emotionale Entwicklung. Keines meiner Tiere bewertete mein Aussehen, mein Verhalten oder meine emotionalen Wunden. Im Gegenteil, sie spürten, wenn ich traurig war. Instinktiv kamen sie zu mir, kuschelten sich an mich, leckten meine Hände und schauten mich mit einem Blick an, der Bände sprach. Sie spiegelten meine Emotionen wider und reagierten immer auf meine inneren Zustände.
Wenn ich meine Tiere streichelte, reduzierte das meinen inneren Stress – und vor allem meine Hunde genossen diese Zuwendung sehr. Diese nicht-bedrohliche, einfühlsame Weise des Kontakts tat sowohl Mensch als auch Tier gut.
Durch meine Hunde habe ich viel gelernt, insbesondere wie sich eine gesunde Beziehung anfühlt: eine Beziehung, die von Verlässlichkeit, Fürsorge, Liebe, Geduld und gegenseitigem Respekt geprägt ist. Sie trugen alle ein Stück zu meiner Heilung bei, weil sie frei waren von den oft komplexen Dynamiken, die es in menschlichen Beziehungen gibt.
Kindheitserfahrungen haben das Potenzial, unsere späteren Beziehungen zu prägen. Sie spielen eine Rolle in Partnerschaften, Freundschaften, beruflichen und Freizeit, Kontexten oder auch in Beziehungen zu Ärzten und Therapeuten. Sogar die Beziehung zu uns selbst – unsere Selbstfürsorge, Selbstliebe und innere Sicherheit – kann durch diese frühen Erlebnisse beeinflusst werden. Diese Erfahrungen bestimmen, ob wir zu emotionaler Kommunikation und Empathie fähig sind, oder sie prägen uns gerade dadurch, dass wir Kindheitsschmerz kennen.
Heilung von Bindungsverletzungen
Wie Bindung funktioniert und wie man sichere Bindungen aufbauen kann, lernst du nur, wenn du den Mut hast, Bindungen einzugehen – auch nach einer schwierigen Kindheit. Dafür braucht es ein Gegenüber, das bereit ist, sich einzulassen. Für mich war das mein Partner.
Wir haben uns beide aufeinander eingelassen – mit allen Höhen und Tiefen. Erlebten Verbindung und Entbindung und erneute Wiederverbindung. Durch viele Herausforderungen, radikale Ehrlichkeit, Mut und langsam wachsendes Vertrauen haben wir in über 30 Jahren eine sichere, verlässliche Beziehung aufgebaut, die heute allen Stürmen trotzt.
Ich bin sehr dankbar für dieses Wachstum, auch wenn es oft wie ein Schneckentempo schien und zeitweise Verunsicherungen aufkamen. Doch wir haben uns immer wieder gegenseitig vergewissert, wo wir auf unserem Weg standen und wie wir gefühlsmäßig miteinander verbunden waren. Dreißig Jahre sind eine lange Zeit, in der sich vieles verändert. Deshalb ist es wichtig, regelmäßig innezuhalten und zu prüfen, ob man den Weg weiterhin gemeinsam gehen möchte.
Selbstbindung
Die Förderung meiner Selbstbindung, besonders der Selbstliebe, ist immer noch ein fortlaufender Prozess. Ich übe mich fast täglich in Wertschätzung für das, was ich bin und was ich tue. Es ist wohl die größte Herausforderung für mich. Die vielen Introjekte aus meiner Kindheit, das sind innere Anteile von mir, die sich gegen mich selbst gewandt haben und Worte benutzen, die damals Täter:innen benutzt haben, melden sich einfach zu oft zu Wort und lassen mich immer wieder verunsichert zurück. Es ist dann wirklich Arbeit, sie durch mein erwachsenes, bewusstes Ich zu beruhigen.
Selbstakzeptanz und Vergebung sind ebenso herausfordernd, doch es wird besser, je älter ich werde. Meine eigenen Bedürfnisse zu erkennen fällt mir mittlerweile leicht, sie zu respektieren hingegen bleibt eine tägliche Aufgabe. Die leise Selbstkritik durch echtes Selbstmitgefühl zu ersetzen, darf ich weiterhin tagtäglich üben. Es ist ein Prozess – und ich kann es nicht oft genug wiederholen. Es beginnt mit kleinen Schritten, und über die Zeit verändert sich vieles langsam, aber stetig. Ich glaube, das ist die eigentliche Herausforderung: dranzubleiben und nicht aufzugeben.
Mein kreativer Selbstausdruck ist über all die Jahre zu meiner stärksten Verbindung mit meinem inneren Selbst geworden. Dazu lade ich auch in all meinen Beiträgen immer wieder ein. Die Schönheit in all dem Drama und Trauma zu sehen, ist für mich wahre Lebenskunst.
Bei allem, was geschehen ist, habe ich mir stets eine Frage gestellt, wenn ich die nächste Herausforderung meistern durfte: Was soll ich daraus lernen?
Vielleicht hilft dir diese Frage, eine neue Perspektive einzunehmen.
Die Bedeutung von Therapie
Wenn du merkst, dass du alleine mit deinen Schattenthemen nicht weiterkommst, hole dir professionelle liebevolle Unterstützung. Die Wahl eines geeigneten Therapeuten ist entscheidend, besonders bei Bindungsthemen. Therapie ist ein „neuer Bindungsraum“, in dem alte Verletzungen heilen und neue Erfahrungen von Sicherheit und Vertrauen gemacht werden können. Die therapeutische Beziehung ist oft der wichtigste Wirkfaktor, denn sie ermöglicht es dir, gesehen, gehört und verstanden zu werden.
Ich hätte meine Themen niemals allein bewältigen können. Ich war 17 Jahre alt, als ich während einer Bahnreise nach Paris einer fremden Frau aus purer Verzweiflung meine Lebensgeschichte erzählte. Ich hatte plötzlich so viel Vertrauen zu ihr und dann kam genau dieser Punkt, an dem sie mir das sagte, was ich dir sagen möchte, sofern es dich betrifft: „Vertraue dich einem Therapeuten an. Überwinde deine Scham und Angst. Du musst deine Herausforderungen nicht alleine bewältigen.“
Es hat zwölf Jahre gedauert, bis der innere Druck so groß war, dass ich mir professionelle Hilfe suchte. Warte nicht so lange. Es wäre schade, wenn du so lange leiden müsstest. Bei mir blieb es nicht bei einer einzigen Therapie. In gewissen Abständen folgten weitere, denn es brauchte Zeit, um die inneren Verletzungen in der Tiefe Schritt für Schritt zu heilen. Es ist ein Prozess. Wer dir erzählt, das ginge mal so eben in einem 7 oder 10 Schritte Programm, dann erlaube ich mir zu sagen, das ist total unseriös, denn jede Trauma-Geschichte ist einzigartig und erfordert eine individuelle Begleitung.
Wer therapieerfahren ist, weiß, wie anstrengend eine Sitzung sein kann und wie lange sie manchmal nachwirkt. Diese innere Arbeit geht nicht im Galopp. Du kannst sie nicht überstürzen. Und nicht jeder Therapeut ist geeignet, dein gesamtes „Paket“ zu tragen. Es hängt davon ab, wie erfahren und stark der Therapeut selbst ist.
Für mein Vaterthema, über das ich mehr als 50 Jahre geschwiegen habe, musste ich lange auf den richtigen Therapeuten warten. Es gibt nur wenige, die mit einem solchen Thema vertraut sind und sowohl Täter als auch Opfer therapieren können.
Mein Wunsch
Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass es Bildungsangebote für Paare gibt, die Eltern werden wollen – so etwas wie einen Elternführerschein vielleicht, der bestätigt, dass sie das Rüstzeug haben, einem Kind ein sicheres, stabiles Urvertrauen zu vermitteln. Denn sichere Bindungen tragen die Ressourcen in sich, damit ein Kind sich körperlich, seelisch und sozial gesund entwickelt.
Reflexion
Am Ende dieser Folge lade ich dich ein, über folgende Reflexionsfragen nachzudenken:
Welche wichtigen Erkenntnisse hast du aus der Folge gewonnen?
Kannst du dich an Beziehungen erinnern, in denen du dich besonders sicher oder unsicher gefühlt hast?
Fällt es dir leicht oder schwer, dich in Beziehungen fallen zu lassen – und warum?
Wie kannst du heute eine kleine Handlung setzen, um mehr Sicherheit und Verbindung in dein Leben zu bringen?
Möchtest du noch eine Kreativ-Übung ausprobieren?
Schnapp dir ein Blatt Papier – A4 oder größer, ganz nach deinem Geschmack. Zeichne einen Kreis in die Mitte, der für dich steht, und füge alle Beziehungen, die dir wichtig erscheinen, in Form von Quadraten und Dreiecken um dich herum ein.
Platziere die Beziehungen, die sicher sind und dir guttun als Quadrat, näher bei dir; die unsicheren weiter weg als Dreieck. Spüre hinein, welcher Abstand sich für dich stimmig anfühlt. Passe auch die Größe der Quadrate und Dreiecke an, je nachdem, wie wichtig und bedeutsam die Beziehung für dich ist. Beschrifte die Quadrate und Dreiecke, damit du später noch weißt, welche Beziehung dargestellt wird.
Verbinde jedes Quadrat und Dreieck mit einer Linie oder geschwungenen Linie zur Mitte. Diese Linien symbolisieren eure Verbindung. Die künstlerische Gestaltung überlasse ich ganz dir. Koloriere oder füge weitere Details hinzu, wenn du magst.
Hänge die Zeichnung an einen Ort, an dem du sie immer wieder sehen kannst, und beobachte, was sich in dir verändert. Schreibe deine Erkenntnisse gerne auf die Rückseite, auf ein separates Blatt oder in ein Buch für deine innere Reise und Entdeckungen. Ich mache, dass gerne mit Bleistift auf die Rückseite der Zeichnung, damit ich sie nicht zerstöre oder sich etwas durchdrückt.
Ich hoffe, diese Übung bereichert deine Innenwelt mit neuen Impulsen.
Wertschätzung
Wenn du die Übung beruflich nutzen möchtest, freue ich mich, wenn du meinen Podcast „Innen.Art mit Beate Eierle“ als Inspirationsquelle erwähnst und auf meine Webseite www.beate-eierle.de hinweist. Vielen Dank, dass du meine Arbeit auf diese Weise wertschätzt!
Die tröstlichste Aussage
Was bleibt mir noch zu sagen? Erinnerst du dich an den wichtigsten Satz am Ende meiner kleinen Geschichte? „Die kleine Seele Seliis ist untrennbar mit ihrem Menschen bis zum Tod verbunden.“
Das ist die tröstlichste Aussage, mit der ich mich heute verabschieden möchte. Selbst wenn all deine Beziehungen dir keine Sicherheit, Verlässlichkeit, Stabilität und Urvertrauen geben konnten, gibt es eine Verbindung in dir selbst, die das kann.
Diese Verbindung lohnt es, entdeckt zu werden. Du und deine Seele gehen immer Hand in Hand durch dein Leben – bis zu deinem letzten Atemzug. Und wer weiß es schon? Vielleicht sogar noch viel länger, als wir ahnen. Diese Verbindung wird dich nie verlassen. Sie ist immer für dich da – die stärkste, liebevollste, gütigste und weiseste Verbindung, die du in dir trägst.
Hören oder Lesen?
Wenn dich meine Art, Themen zu beleuchten, berührt, abonniere gerne meinen Podcast und lass uns gemeinsam etwas Neues beginnen.
Wenn du die Folge nachlesen möchtest, findest du sie auf meiner Webseite www.beate-eierle.de.
Mein Angebot für dich
Wenn du deine eigenen Themen kreativ erforschen möchtest, lade ich dich herzlich ein, gemeinsam mit mir neue Wege zu entdecken – mit Achtsamkeit und Feingefühl, dorthin, wo sich deine wahren Möglichkeiten entfalten und dein Inneres in neuen Farben leuchten darf. Melde dich gerne bei mir über meine Webseite www.inspiratiografie.de – ich freue mich auf dich!“
Outro
Denk daran! Meine Worte entspringen meiner eigenen Innerlichkeit, meinen Erfahrungen und Wachstumsprozessen. Betrachte sie als Einladung, deine Reise durch die inneren Landschaften deiner Welt zu beginnen.
Finde deine Wahrheit, so wie ich meine gefunden habe, und folge dem Weg, der sich für dich richtig anfühlt – in deinem Tempo und mit deinem individuellen, künstlerischen Ausdruck. Sei dein eigener Guru, denn niemand lebt dein Leben oder hat die gleiche Geschichte wie du. Du allein lebst in deinem Körper, und jeder geht seinen ureigenen Weg.
Das war die Folge 3: Sichere Bindung – sicheres Leben.
Danke, dass du mir heute deine Zeit geschenkt hast. Ich freue mich, dich auf die nächste Reise mitzunehmen.